1. Einleitung
Wie immer sie genannt werden – Zentralbereiche, Stäbe, interne Dienstleister, Querschnittsfunktionen, Unterstützungsfunktionen –, die internen Unternehmensfunktionen (IUF)* stehen nach wie vor im Brennpunkt der Aufmerksamkeit von Managern. In den Neunzigerjahren, als Marktprinzipien ihren Einzug in die Unternehmenssteuerung hielten, hatten sie den Nimbus des Unantastbaren verloren. Damals wurde ihre Kundenorientierung hinterfragt und mit dem wachsenden Kostendruck standen sie zum ersten Mal selbst unter Rationalisierungszwang.
Die bis dahin selbstverständlichen Positionierungen wurden brüchig: als Stab, der durch Expertise Entscheidungsgrundlagen für das Management optimierte; als Zentralfunktion, die durch gesamthafte Steuerungs- und Ordnungsaufgaben unternehmensweit Normen, Systeme und Prozesse etablierte, und ebenso als operativer Dienstleister, an den delegiert wurde, um sich zu entlasten.
Seit damals hat sich viel verändert. Unternehmensinterne Marktverhältnisse und wachsender Effizienzdruck haben in drei Dimensionen einen deutlichen Professionalisierungsschub bei internen Unternehmensfunktionen ausgelöst:
1. In ihrer jeweiligen inhaltlichen Expertise, weil wachsender Wettbewerbsdruck durch den Vergleich mit Benchmarks und potenziellen Outsourcing-Anbietern die fachliche Weiterentwicklung förderte.
2. Unternehmensinterne Marktprinzipien brachten vor allem auch „General-Management- Kompetenz“ in die Arbeit der IUF und so wurden Strategieentwicklung, Marketing, Ressourcenmanagement, die Entwicklung der eigenen Humanressourcen, die Gestaltung ihrer Organisation und Prozesse sowie das Controlling Teil der eigenen Arbeit.
3. Schließlich geht es um einen Entwicklungsschub in der Kompetenz, sozial anspruchsvolle Prozesse in unterschiedlichen Rollen und mit unterschiedlichen Aufgaben im Unternehmen als begrenztem Markt wirkungsvoll zu gestalten (siehe Abb. 1). In jeder dieser Funktionen ist ein anderes Setting im Zusammenwirken zwischen IUF und ihrem jeweiligen Counterpart gefragt. Dies erfordert ein jeweils anderes Selbstverständnis und ist im Kontext der Entwicklungen des Unternehmens zu sehen.
Abbildung 1 (siehe gesamter Artikel im Anhang)
Über den Erfolg eines Unternehmens entscheidet heute immer mehr die schnelle Antwortfähigkeit auf Fragen und Impulse, die es aus dem Markt aufnimmt. Diese „Responsiveness“ als Wettbewerbsvorteil lässt den Beitrag von IUF zur Wertschöpfung viel stärker als früher ins Scheinwerferlicht rücken – weil die Steuerung der Wahrnehmung, was überhaupt als relevante Information aufgenommen wird und in welchen Strukturen und Prozessen daraus Entscheidungen entstehen, nicht nur Sache der Unternehmensführung ist, sondern ganz stark von den IUF mitgestaltet wird: z. B. von Human Resources über Performancemanagement, von IT über die Festlegung von Standards, von Controlling über die Auswahl von Kennzahlen und Reporting-Prozessen etc.
IUF sind von ihrer Wirkung im Unternehmen her betrachtet Solisten im Team. Damit kommt ein blinder Fleck der IUF ins Spiel, nämlich dass es in Zukunft mehr als bisher erfolgsentscheidend sein wird, ihr Zusammenwirken im Sinn konsistenter Wirkung abzustimmen. So wird die Kundenorientierung im Vertrieb durch Human Resources (Gehaltssysteme, HRDevelopment, Zielvereinbarungssysteme) ebenso mitgesteuert wie durch Controlling (Erfolgskennzahlen, Reporting-Systeme) und IT (Systeme). Die Positionierung von IUF in unterschiedlichen Vorstandsressorts und ihre Kernidentität aus der jeweils eigenen fachlichen Expertise fördern hingegen bisher eher Konkurrenz und Distanz als integrierte Aktionen.
In diesem Beitrag werden wir uns mit den IUF und ihrer weiteren Entwicklung auseinander setzen. Auf Basis des Professionalisierungsschubs der letzten Jahre können (und müssen) die IUF gezielter ihren Beitrag zur Steuerung von Organisationen leisten, indem sie sich ihrer konzertierten Wirkung bewusst werden, sich ein entsprechendes Instrumentarium erarbeiten und als IUF stärker miteinander kooperieren.
Im folgenden Abschnitt skizzieren wir hierzu die Ausgangslage, um dann im Rückblick auf die bisherigen Phasen der Entwicklung (Abschnitt 3) auf die heutige Renaissance der IUF (Abschnitt 4) einzugehen. Der 5. Abschnitt beschreibt die typischen Spannungsfelder und Widersprüche, die IUF heute ausbalancieren müssen. Im 6. Abschnitt entwickeln wir eine Systematik, mit der IUF ihre Steuerungsbeiträge entwickeln und zueinander in Bezug setzen können. Im Abschlusskapitel werden schließlich neben einer Zusammenfassung noch die anderen Beiträge dieses Buches vorgestellt.
2. Das „Big picture“
Rekapitulieren wir zunächst noch einmal, was wir mit internen Unternehmensfunktionen ansprechen wollen: alle Einheiten im Unternehmen, die sich in ihrer Arbeit auf interne Bezugssysteme konzentrieren, deren Wertschöpfung darin besteht, Potenziale, Ressourcen und Strukturen zu entwickeln, zu pflegen und zu sichern, die zur optimalen Erstellung der unternehmensspezifischen Leistungen für den externen Kunden notwendig sind.
Was ist nun das Besondere, was unterscheidet IUF von Unternehmensfunktionen, die direkter am externen Kunden orientiert sind? ...
3. Ein Blick zurück – die vier Phasen der Entwicklung interner Unternehmensfunktionen
Die Annahme, dass die IUF wieder vor einem größeren Umbruch stehen, lässt sich mit einem kurzen Rückblick auf ihre wechselhafte Geschichte in den Unternehmen leichter nachvollziehen. Die bisherige Entwicklung der internen Unternehmensfunktionen lässt sich in vier Phasen gliedern: ...
4. Die Renaissance der internen Unternehmensfunktionen
Heute vollzieht sich abermals ein Wechsel im Umfeld der internen Unternehmensfunktionen (vgl. Boos/Heitger 2004). Nicht nur das äußere Umfeld von Organisationen, der Markt, ist durch Deregulierung und Globalisierung im Umbruch – auch das „Innenleben“ der Organisationen verändert sich radikal, was sich an folgenden Entwicklungen ablesen lässt: ...
5. Widersprüche und Spannungsfelder
Die Praxis interner Unternehmensfunktionen ist – abhängig von der Vielzahl ihrer Rollen, der Widersprüchlichkeit der Anforderungen, der Unternehmenskultur, der Organisations-struktur etc. – bunt und vielfältig. Im Folgenden wollen wir einige Grundsatzfragen aufzeigen, mit denen sich interne Unternehmensfunktionen zwangsläufig auseinander setzen. Es sind grundsätzliche Fragen nach Identität, Selbstverständnis, Rolle und Positionierung im Unternehmen. Die Bandbreite dieser Fragen zeigt, wie vielfältig die Anforderungen sind,denen diese Funktionen gerecht werden müssen, dass sie unterschiedlichste Rollen einzunehmen sowie verschiedene, teilweise überlappende Zielgruppen anzusprechen haben und dass sie sich auf ganz unterschiedliche Märkte und Kooperationen einstellen müssen. Die Balance dieser „Pole“ braucht einerseits eine Organisationsarchitektur, die für das jeweilige Unternehmen in dessen Umfeld funktional ist, andererseits erfordert es von den involvierten Personen hohe Belastbarkeit, Flexibilität und Kompetenz. Es gibt in diesem Sinn keine „richtige“ Architektur. Diese wird beeinflusst von Faktoren wie Größe und Lebenszyklus des Unternehmens, Branche, Dynamik des Umfeldes, den Produkten, aber auch von weniger leicht „greifbaren“ Einflüssen wie dem Sinn des Unternehmens, seiner Identität, seinen informellen Strukturen und der Unternehmenskultur. Als Orientierung können folgende Widerspruchspaare oder Spannungsfelder dienen, an denen sich die internen Unternehmensfunktionen ausrichten. Wichtig ist dabei, dass Erfolg und nachhaltige Wirksamkeit immer das Investieren in beide Aspekte erfordern und dass nicht eine Alternative zwingend besser ist als die andere (siehe Abb. 4). ...
6. Steuerungswirkung interner Unternehmensfunktionen
Es gibt zahlreiche Konzepte wie die Balanced Scorecard, Controlling-Systeme, Personalplanungssysteme, Customer Relationship Management (CRM), Wissensmanagementansätze, Qualitätsmanagement u.v.m., die Steuerung zu einem gewissen Grad gewährleisten sollen. Diese Konzepte hinterlegen bereits implizit gewisse Ausgangsbilder, wie Steuerung zu funktionieren hat. Bei Controlling-Systemen stehen die Zahlen im Vordergrund, bei CRM werden Kundenrelationen in den Mittelpunkt gestellt, beim Wissensmanagement geht es vorwiegend um Wissensgenerierung und -verteilung, beim Qualitätsmanagement stehen Prozess- oder Ergebnisziele im Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei wird jedoch ausgeblendet, dass Steuerung immer Selbststeuerung des Systems ist und lineare Steuerungsversuche in komplexen Entscheidungssituationen wenn, dann nur durch Zufall zum Erfolg führen können (vgl. Exner/Exner/Hummer/Moeller/Patak 2004). ...
7. Zusammenfassung
Wenn unsere Annahme stimmt, dass die Steuerung, Strukturierung und Entwicklung von Organisationen (vgl. Heitger/Boos 1994) selbst immer mehr zu einem Wettbewerbsfaktor werden, dann kommt den internen Unternehmensfunktionen in ihrer derzeitigen Entwicklungsphase eine neue und wichtige Funktion zu. Die IUF müssen zum einen Experten in ihrem Fach sein. Dies bedeutet, neben den Inhalten vor allem die Dynamik des eigenen Fachgebiets zu kennen und gut einschätzen zu können, um sie für das eigene Unternehmen fruchtbar zu machen. Innerhalb der vielfältigen Möglichkeiten, die jedes Fachgebiet anbietet (welches Strategie-Tool, welches Bonussystem, welcher Budgetierungsansatz …?), gilt es die richtigen Entscheidungen zu treffen. ...
Den gesamten Artikel inkl. Literaturverzeichnis finden Sie im Anhang.
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